Tena –
Pünktlich um 7.45 werden wir per Taxi abgeholt – wieder gibt es heute ein Keksfrühstück… aber nach dem recht anstrengenden Rafting gestern war an noch früher aufstehen nicht zu denken. Ich hoffe echt, dass das bissel Knabberzeug uns genug Energie gibt um den Tag zu überstehen…
An einer Kreuzung bleiben wir stehen und José, der Ranger und unser Guide für heute steigt ein. Wenig später erreichen wir eine Schotterpiste, welche in ein Waldstück mündet. Es geht recht langsam vorwärts, da wir eine ordentliche Steigung zu bewältigen haben. „Ob es Nachts hier kalt wird?“, meint Verena. Wir scheinen doch einige Höhenmeter gemacht zu haben und sind in der Zwischenzeit durch so einige Nebelschwaden gefahren.
An einer Lichtung hört die Schotterpiste auf und eine „Felsen/Lehm-Straße“ beginnt. Hier wartet schon Manuel, der Vater von José mit einem Pferd auf uns. Wir verladen unsere Klamotten auf das Pferd und laufen nur noch mit dem Allernötigsten (Wir haben jeweils noch 2l Wasser mitgenommen und bekommen von José noch einige isotonische Drinks in die Hände gedrückt. Die werden wir sicher brauchen.) langsam den Geröllweg hoch. Nicht gerade leicht, denn der Regen der letzten Tage hat den Boden recht glitschig werden lassen. Es dauert eine ganze Weile bis wir den Mirador erreichen: Eine tolle Aussicht auf die Umgebung gibt es als Belohnung. Doch wir sind nichtmal ansatzweise in Dschungel. Wir laufen den Weg weiter und sehen die ersten Waldbewohner: Einige Blattschneiderameisen kreuzen unseren Weg.
Obwohl Ecuador ein recht kleines Land mit nur einem prozentualen Anteil von 0,2% der Erdoberfläche, kann man hier über 25,000 Pflanzenarten finden. José ist voll und ganz in seinem Element: Er entdeckt schon die ersten interessanten Pflanzen, deren Saft man z. B. zum Färben in Neonorange verwenden oder deren Blätter man als improvisiertes Toilettenpapier nutzen kann. Auch die Beeren der „Toilettenpapierpflanze“ sind essbar (aber schmecken jetzt nicht gerade besonders ).
Während wir noch in gemächlichen Tempo den matschigen Weg weiterlaufen, hat uns Manuel inzwischen schon eingeholt. Das Pferd, welches neben ihm läuft, passt sich seiner Laufgeschwindigkeit an. Alter Schwede… Wie kann ein alter Mann so viel Energie haben? Wir haben mit der Wanderung kaum angefangen und japsen jetzt schon ein wenig.
Während Manuel den Weg weiter folgt, biegen wir nun in den Dschungel ab. Mit einer Machete öffnet uns José einen Pfad durch das Dickicht. Ich bin echt froh, dass wir Gummistiefel bekommen haben für die Wanderung. Mit normalen Wanderschuhen wäre das hier nicht möglich gewesen. Der lehmige Boden gibt oftmals nach und wir müssen uns sehr anstrengen nicht auf die Schnauze zu fallen. Nach einer Weile erreichen wir den Bach der durch den Canyon fließt. Ab jetzt heisst es: Durch Wasser waten, über Bäume klettern und abseilen. Ein extrem anstrengendes, aber lustiges Erlebnis. Oftmals stehen wir Brusttief im Wasser – definitiv ne gute Entscheidung als Daypack nen Drybag-Rucksack mitzunehmen . Mehrmals seilen wir uns an kleineren Wasserfällen ab – immer wieder erfrischend . Die Zeit vergeht rasend schnell – nach einem weiteren „Bad“ im Canyonbach erreichen wir eine etwas breitere Stelle mit einem größeren Stein: Der perfekte Tisch für das Mittagessen! Wir decken alle den Tisch mit einigen größeren Blättern und José zaubert einige Tupperschüsseln aus seinem Rucksack. Die sind nichtmehr lange voll: Ich habe wohl nochnie so schnell mein Essen hinuntergeschlungen. Gar nicht gemerkt, wieviel Hunger ich hatte.
Wir ruhen uns ein Weilchen aus, bis es weitergehen muss: Wir sollten vor Sonnenuntergang an der Lichtung sein – Nachts durch den Dschungel zu laufen kann für unerfahrende Leute wie uns gefährlich werden. Ich habe jegliches Gefühl für die Zeit verloren. Lustigerweise fragt José gerade jetzt nach der Uhrzeit – keiner hat eine Uhr oder ein Handy mitgenommen. Der Aufnahmezeitpunkt meines letzten Kamerabildes jedoch könnte weiterhelfen. Leider habe ich nochnicht auf ecuadorianische Zeit umgestellt Kamerauhrzeit und habe noch GMT+1 drin. Nach einigem Rechnen (7 Stunden Zeitverschiebung) kommen wir zum Schluss, dass wir ganz gut in der Zeit liegen.
Der weitere Weg wird nicht minder spannend: Über Stock und Stein kommen wir an einem Wasserfall, an den wir uns gute 15m nacheinander abseilen müssen. Am Ende wartet ein natürlicher Pool auf uns… ERFRISCHEND!
Doch anscheinend sehen wir recht verausgabt aus. Einige hundert Meter weiter gibt es noch einen größeren Abseilpunkt über 30m. Wir entscheiden uns jedoch auf Anfrage von José lieber wieder hinaufzusteigen… und ich glaube er ist im nachhinein froh, dass wir uns richtig eingeschätzt haben: Nicht nur lassen unsere Kräfte extrem nach, auch der Aufstieg an der Seite des Canyons hoch mit Hilfe des Seils gestaltet sich schwierig. der Boden ist hier extrem rutschig und es bereitet uns sehr viel Mühe langsam den steilen (das sind gute 60% Steigung!) Waldboden hinaufzukommen. Mehrmals müssen wir eine Pause einlegen um wieder zu Kräften zu kommen. Ich denke die 30 Meter mehr die wir beim Besuch des nächsten Wasserfalls wieder hinaufsteigen hätten müssen, hätten uns den Rest gegeben. Währenddessen erzählt uns José über eine andere Gruppe die er geführt hatte, welche sich schon bis zu der Stelle an die wir gekommen sind überschätzt hatte. Bis 2 Uhr nachts hat es gedauert, bis sie den Zeltplatz erreicht hatten.
Fast oben am Weg angelangt deutet uns José zu warten und nähert sich einem Ast. Er holt mit der Machete aus, greift auf den Boden und wirft etwas weit in die Büsche. „Eine Giftschlange“, sagt José, als wir fragen was das war. Ein Biss von ihr wäre nach 3h ohne Behandlung tödlich. „Gibt es hier auch andere gefährliche Tiere?“. Es gibt wohl noch einiges, im Dschungel, worauf man achten sollte – auch eine Unterart der Korallenschlange, oder „20-Minuten-Schlange“. Der wirkliche Killer scheinen hier jedoch die Beeren eines fast identisch zur „Toilettenpapierpflanze“ aussehnden Strauches zu sein. Wirklich unterscheiden kann man die nur, wenn man sich die Farbe des Fruchtfleisches anschaut. „Mehr als 10 Min nach dem Verzehr hat man hier nicht“. Alright. Ich esse definitiv nichts, was ich auf dem Weg finde. Als wir endlich auf dem Weg oben am Canyonrand ankommen, sind unsere Beine weich wie Gummi. Dafür ist es angenehmer hier zu laufen. Unterwegs bleiben wir immer wieder stehen und José zeigt uns interessante Exemplare an Flora und Fauna: Es gibt so einige Pflanzenarten hier welche milchartige Flüssigkeiten besitzen, die antiseptisch und schmerzstillend wirken. Sogar Bisse von Bulletants könnten damit behandelt werden. Auch hätte ich nie gedacht, dass abgesehen von dem Harz eines Baumes hier auch auf der haut zerriebene Termiten (interessanter Zitronengrasgeruch übrigens) einen Moskitoschutz abgeben.
Nach gut einer weiteren Stunde kommen wir am Camp an. Zeit, uns auszuruhen und die Aussicht zu genießen. Während wir unser Zelt aufbauen, kochen José und sein Vater Abendessen. Ein leckerer Duft kommt aus der Hütte. Hunger! Diese Wanderung hat echt den Appetit angeregt. Es gibt ein schmackhaftes Paella-ähnliches Gericht mit Reis, Hühnchen, Kartoffeln und ordentlich Chili. Schmeckt ähnlich wie bei einem Gericht meiner Oma (Kritharaki mit Huhn) .
Schnell ist es dunkel geworden – Zeit zum schlafengehen, auch wenn es „eigentlich“ früh ist… Morgen haben wir wieder einen langen Fußweg vor uns. Kurz bevor wir ins Zelt kriechen, sehen wir vom weitem ein Licht auf uns zukommen. José begrüßt den Wanderer, der mit einer Taschenlampe durch das Camp läuft. Er will wirklich Nachts durch den Dschungel laufen um morgens zur Stadt zu kommen?! Mich wundert bei den Leuten, welche im Dschungel wohnen nichts mehr – wie kann man denn mitten in der Nacht hier noch trittsicher sein?
Eine Nacht im Dschungel ist nicht gerade leise – überall hört man Rascheln und Tierlaute. Hier gibt es wohl so einiges, was nachtaktiv ist. Gepaart mit dem von der Außenwelt abgeschotteten Zeltinnenraum ist das ganze recht trippy. Irgendwann ruft dann aber die Natur und ich krieche aus dem Zelteingang. Brrr, kalt! Die Schlafsäcke sind echt nötig. Dabei lief mir tagsüber der Schweiß aus allen Poren runter. Auf dem Toilettenpapier im Plumpsklo begrüßt mich eine Spinne, und auch zwischen meine Füßen habe ich vorher schon Krabbelzeug gefunden: Einen toter Skorpion oder die Haut davon? Ich sollte aufpassen, wohin ich dappe – unter ner UV-Lampe könnte man die Viecher übrigens leuchten sehen…